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Altar EOM Kapelle
Kapellenstrasse, München
2014 — 2016
In Zusammenarbeit mit
Tim Bennett und Muk Wagner

Die Kapelle im Dienstgebäude „Kapellenstraße“

Das ehemalige Jesuitenkolleg („Wilhelminum“) war kein Ort der Kontemplation, sondern der Bildung und Erziehung. Bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg stand exakt an jenem Ort, an dem sich jetzt Eingang und Kapelle des Dienstgebäudes befinden, ein markanter Turm, in dem bereits seit dem 18. Jahrhundert eine Sternwarte eingerichtet war. Das 1953/54 errichtete Bank- bzw. Bürogebäude verzichtete auf diese architektonische Akzentuierung. Mit der Umwidmung zu einem kirchlichen Dienstgebäude war die Notwendigkeit der Einrichtung eines sakralen Raumes gegeben, der sich in seiner Form grundlegend von der vorherrschenden, stereotypen Bürostruktur unterscheidet. Nach Plänen des Architekturbüros Fink & Jocher wurde in das schmale, längsrechteckige Raumvolumen eine über zwei Geschosse reichende, dreiteilige Abfolge ellipsoider Körper eingestellt. Unter Ausblendung aller vorhandenen Fenster und Wände entsteht durch die gekrümmten Linien und Wandflächen ein gleichermaßen dynamischer wie introvertierter Raum. In barocker Tradition fällt durch eine elliptische Deckenöffnung indirekt Licht in die Kapelle und zeichnet ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten.

Räumlicher Abschluss und bildnerischer Zielpunkt ist die raumhohe, monolithische Tabernakelwand aus hellgrauem Sandstein („pietra serena“). Ihrer formalen Gestalt liegt ein rekonstruiertes Abbild des Sternenhimmels zur Zeit von Christi Geburt zugrunde. Aus den verzerrten Verbindungslinien zwischen den gebohrten und versilberten Sternpunkten entfaltet sich ein kristallin gebrochenes Relief, in das der ellipsoide Tabernakel einfügt ist. Die außergewöhnliche Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn brachte einst den „Stern von Bethlehem“ hervor. Diesen besonderen Punkt besetzt das Ewige Licht. Für die Formgebung des Altars (heller Carrara-Marmor) ist die Reliefstruktur der Tabernakelwand in sechs Teile zerlegt und übereinander geschichtet. Die abschließende Mensa (7. Platte) wiederholt die unterste Schicht, welche sich einer Grotte gleich über das Reliquiengrab wölbt. Die zerklüftete Struktur des geschichteten Altarblocks wird wiederum im Inneren des Tabernakels aufgegriffen. Die Feier der Eucharistie und der Ort der Realpräsenz Gottes sind so physisch und sinnbildlich zueinander in Beziehung gesetzt. Zur Feier der Liturgie treten schlichte und dennoch kostbare Vasa sacra aus Silber hinzu, in deren hoch glänzender Oberfläche das Umfeld spiegelnd eingefangen wird.

Alexander Heisig